Ausbildung für die Sexarbeit?

Vor einigen Monaten habe ich mal eine Gedankenspielerei zum Thema Ausbildung in der Sexarbeit in Form eines Twitter-Threads gespielt (hier zu finden: Twitter)

Das Thema hat die Gemüter etwas erhitzt, es gab jedoch überwiegend positives Feedback. Anfang des Jahres, als ich für einen Workshop zum Fachtag Sexualität und Psyche eingeladen wurde, kam das Thema auch kurz auf einer Podiumsdiskussion auf, an der ich teilgenommen habe. Im Nachgang wurde ich von einigen Fachpersonen darauf angesprochen, es zeigte sich, dass die Idee, eine Ausbildung, oder vielmehr Professionalisierung in der Sexarbeits-Branche zu haben, von vielen Personen sehr interessiert und positiv betrachtet wird.

Kürzlich durfte ich dann auch in einem Interview mit Deutschlandfunk Nova darüber sprechen: Sexarbeit – Warum eine Ausbildung für Prostituierte sinnvoll ist

Natürlich gibt es auch Menschen, die der Meinung sind, dass das ja wohl gar nicht geht. Es werde nie eine Ausbildung oder Weiterbildung für Sexarbeitende geben, und das sei gut so, schließlich könne das ja niemand freiwillig wollen und machen!

Für alle diejenigen, die sich absolut nicht vorstellen können, dass es jemals eine Ausbildung im Bereich der Sexarbeit geben könnte ein kleiner Tip: Lest Euch ein bisschen in die Geschichte der Pflegeberufe ein!

Ihr wisst schon, die Pflege, die zu Beginn des 19. Jhd. sehr weit davon entfernt war, ein staatlich anerkannter Beruf zu sein. Die Pflege, die kein definiertes Berufsbild, keine einheitliche Ausbildung oder soziale Absicherung hatte. Die Pflege, der der Staat keine oder sehr geringe Wertschätzung entgegen gebracht hat, auch wenn völlig klar war, wie viele Menschen sie in Anspruch nahmen.

Erinnert Euch daran, dass es ein Beruf war, der Anfangs hier überwiegend von Frauen ausgeübt wurde, die dafür geshamed wurden, dass sie gasp! Geld für ihre Tätigkeit haben wollten, sie zum Beruf machen! Für „sowas“ nahm man kein Geld! Es sollte aus reiner (christlicher, versteht sich) Nächstenliebe getan werden! Und die sogenannten „Wärter“ in Hospitälern, die als unqualifiziert, ja gar korrupt galten, waren gesellschaftlich geächtet und haben ein mieses Bild auf den Beruf geworfen.

Im Jahr 1800 hat die Gründungsphase der Krankenpflegeschule der Berliner Charité begonnen – der erste Versuch, in Preußen eine Bildungseinrichtung für Pflegeberufe einzuführen. Es hat 32 Jahre gedauert, bis diese Schule überhaupt ihren Regelbetrieb aufgenommen hat! Für einen Beruf, in dem sich Menschen aus- und weiterbilden lassen wollten. Für den sie nicht nur Dank und einen warmen Händedruck, sondern Geld bekommen wollten. Zu Beginn des 20 Jhd., auch wenn es da durchaus schon eine Sozialversicherung und Anstellungen im Pflegebereich gab, haben sich die Pflegenden noch immer weitestgehend im rechtsfreien Raum befunden.

Wir fassen also zusammen:

Es gab schon mal eine Zeit, in der man sich nicht vorstellen konnte, dass Menschen (zum großen Teil Frauen), Geld für eine Tätigkeit bekommen wollten, die andere aus (Nächsten)Liebe tun.

Es gab schon mal eine Zeit, in der Menschen sehr nahe und intim an und mit Menschen und deren Körpern gearbeitet haben. Ohne Lehrplan, ohne einheitliche Ausbildung, ohne Wertschätzung der Gesellschaft.

Und diese Menschen wollten das ändern, und sie haben es geändert!

Mein ja nur, nech?

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