Liebe potentielle Kunden, ich habe hier mal einen ganz heißen Tip für Euch:
Alkohol und Euer Smartphone sind keine gute Kombination! Nee. Echt nicht.
Natürlich habe ich, wie jeder vernünftige Mensch, mein Smartphone auf „Nicht stören“ eingestellt, wenn ich schlafen gehe. Zu oft haben irgendwelche Zerebral-Asketen das unstillbare Verlangen, mitten in der Nacht anzurufen oder einen ungefragten Videoanruf zu starten. Nicht nur den Ton aus, auch keine Vibration, denn die würde mich unweigerlich auch aufwecken. Zumindest, wenn solche Aktionen am Start sind wie im Laufe dieses Textes beschrieben. Die seltsame Idee, dass wir alle 24/7 wach und verfügbar sind, ist ja auch so ein Thema für sich, über das ich vielleicht ebenfalls einmal schreiben werde. Es geht mir in diesem Text jedoch nicht darum.
Es geht mir um Menschen, die vermutlich in einer Mischung aus Geilheit und zu viel Alkohol, so einen richtigen Telefonterror an den Tag (oder vielmehr die Nacht) legen. Die absolut kein Gefühl dafür haben, dass die Person am anderen Ende der erhofften Verbindung auch mal Feierabend hat, auch Schlaf benötigt und nicht zwingend eine nachtaktive Lebensform ist.
Die Idee scheint ja irgendwie in vielen Köpfen hartnäckig und ohne Miete zu zahlen zu wohnen, dass Sexarbeitende ihre Tätigkeit ja nur im Dunkel der Nacht, wenn „anständige“ Menschen schlafen, ausüben. Und natürlich gibt es Kolleg*innen, die gerne Abends und Nachts arbeiten. Aber ein großer Teil möchte das haben, was auch andere Menschen wünschen:
Eine ruhige und entspannte Nacht. So richtig mit schlafen, träumen, aufs Kopfkissen sabbern und auf keinen Fall mit Unterbrechungen, damit man nicht am nächsten Morgen wie ein Zombie zur Kaffeemaschine schlurfen oder das eigene Spiegelbild fragen muss „Wer sind Sie und was tun Sie in meinem Bad?!“
Klar, wer kennt es nicht oder kennt zumindest jemanden, der die Tendenz hat, es zu tun: Man hat vielleicht ein bisschen zu viel getrunken und die sentimentale Anwandlung, mitten in der Nacht einen Ex anzuschreiben oder anzurufen und ihm wahlweise die große, ewige Liebe zu gestehen, oder ihm an den Latz zu knallen, wie doof er ist und schon immer war und überhaupt! Das passiert und das ist schon unangenehm genug am nächsten Morgen, wenn der Nebel sich langsam lichtet. Aber über solche SMS, Nachrichten oder Anrufe kann man ja im Nachhinein vielleicht ein bisschen peinlich berührt schmunzeln, und dann das Mäntelchen des Schweigens darüber ausbreiten.
Was aber manche potentiellen Kunden von uns Sexdienstleister*innen so abziehen, geht echt auf keine Kuhhaut! Selbst eine Mammuthaut wär’ nicht groß genug!
Kürzlich hatte ich wieder so ein besonders apartes Exemplar – hier der Verlauf:
Von 3:37 bis 3:42 Uhr: 9 WhatsApp
Der Inhalt der Nachrichten hätte problemlos in eine einzelne WhatsApp gepasst. Jeden Satz einzeln abzuschicken über mehrere Minuten, das ist doch echt nervig, auch am Tag, wenn ich wach bin.
Schreibt doch grundsätzlich, was ihr möchtet, in ein oder zwei Nachrichten und vor allem – denkt vor dem Lostippen darüber nach, was ihr überhaupt sagen oder fragen möchtet!
Zwischen 3:48 – 7:28 Uhr: 9 verpasste Sprach- oder Videoanrufe über WhatsApp
Wie kommt man eigentlich auf die Idee, ungefragt fremde Menschen via Videoanruf kontaktieren zu wollen? Das wird sich mir nie erschließen. Unabhängig davon, ob privat oder beruflich – man vereinbart doch dafür auch einen bestimmten Zeitpunkt, damit man Ruhe hat, damit keine anderen Menschen in der Nähe zuhören oder zusehen, die das nicht sollen usw.
Wenn so ein unbekannter Anrufer mich ohne Absprache mit einem Videoanruf beglückt, denkt er dann nicht darüber nach, dass nicht nur ich, sondern eventuell auch andere Menschen ihn dann sehen könnten? Dass ich mal eben einen Screenshot machen könnte? Kurz gesagt, dass seine Anonymität keineswegs gewährleistet ist und so eine Aufnahme irgendwann als Meme vom „Übergriffigen Wi**er, der nachts ungefragte Videocalls macht“ auch im Umkleideraum seines Fußballvereins geteilt werden könnte? No worries – ich tue das nicht, aber ich kann nicht garantieren, dass alle Menschen die Diskretion wahren, wenn sie so richtig genervt sind.
Ich nehme grundsätzlich keine Videoanrufe an, wenn ich das nicht explizit vorab vereinbart habe. Ganz sicher nicht mitten in der Nacht! Ich habe verschiedene Onlineangebote, bei denen wir gerne einen Videocall einbauen können, aber das dann abgesprochen und geplant.
Auch Sprachanrufe lehne ich um diese Uhrzeiten übrigens ab, duh!
Um 3:52 Uhr: 3 SMS mit dem tiefsinnigen, geradezu philosophischen Inhalt:
„Noch wach?“
„Masntte […]“ hier“
„WhatsApp?“
Ich denke, dazu muss ich eigentlich nichts sagen. Wenn ich via WhatsApp nicht auf Nachrichten reagiere, warum sollte ich auf SMS antworten?
Zwischen 3:55 – 7:28 Uhr 9 verpasste Anrufe
Weil es ja ganz klar ist, wenn ich die Anrufe via WhatsApp nicht angenommen habe, die Nachrichten nicht lese und generell nicht antworte, dass es total viel Sinn macht, es dann mit regulären Anrufen zu versuchen, oder?!
Diese Logik erschließt sich mir nicht. Aber vermutlich ist da auch keine Logik dahinter. Zumindest keine, die ein nüchterner Mensch nachvollziehen kann.
Und wie komme ich jetzt darauf, dass die Person möglicherweise blauer als Käpt’n Blaubär war?
Weil es nicht das erste Mal ist, dass sie diese Schoten abgezogen hat. Das erste Mal im Juni 2021. Da habe ich mir schon einmal sehr ausführlich Luft gemacht und dieses Verhalten mehr als nur ein bisschen gerügt. Damals kam zumindest eine halbherzige Entschuldigung und im Nachgang eine Anfrage, die dann im Sande verlief.
Das zweite Mal ein paar Monate später im September. Da habe ich schon gar nicht mehr groß reagiert, aber ganz offensichtlich vergessen die Nummer zu blockieren.
Und nun vor ein paar Nächten. Jedes Mal waren es Samstage, also die Tage, an denen viele Menschen, die in regulären Jobs arbeiten, frei haben und nach denen sie am nächsten Tag ausschlafen können. Oder anders gesagt – Tage, an denen übermäßiger Alkoholkonsum passieren kann, ohne am darauf folgenden Tag irgendeine Arbeitsleistung erbringen zu müssen.
Wenn ich die Nummer jetzt nicht blockiert hätte, erwarte ich in 3-4 Monaten die nächste nächtliche Telefonterror-Attacke ungefähr in der Mitte des Monats, an einem Wochenende. Viele solcher Kandidaten legen eine gewisse Regelmäßigkeit an den Tag, wie ich auch schon von Kolleg*innen erzählt bekommen habe.
Also nochmal zum mitschreiben – legt Euer Smartphone außer Reichweite, wenn ihr Euch nicht zusammenreißen könnt. Ich mache keinem Menschen einen Vorwurf, wenn er mal einen über den Durst trinkt. Auch nicht, dass man Bedürfnisse hat, die eventuell durch das Nichtvorhandensein von Partner*innen oder anderen Erfüllungsgehilf*innen gerade nur von Sexarbeitenden gestillt werden können. Hey, das ist unsere Profession!
Aber bedenkt dabei bitte:
Auch wir Sexarbeiter*innen schlafen ganz gerne Mal nachts und haben auch mal frei. Ja, ich weiß. Schockschwerenot!
Wenn es am nächsten Morgen noch so „dringend“ ist, könnt ihr ja gerne eine wohlformulierte Anfrage schreiben. Also, falls der zu erwartende Kater es erlaubt. Falls nicht, tun es eine große Menge Wasser, eine Aspirin und ein paar Mineralstoffe eventuell auch. 😉