Sexarbeitende sind keine Blitzableiter für gewalttätige Menschen!

CN: Vergewaltigung, sexuelle Übergriffe

Können wir bitte damit aufhören, zu behaupten, ein Verbot von Sexarbeit würde zu viel mehr Vergewaltigungen und Übergriffen führen? Das ist kein „gutes Argument“ gegen ein Sexkaufverbot! Ich versuche mal zu erklären, warum:

Wir Sexarbeitenden sind keine Punching Balls, Prellböcke und Blitzableiter für gewalttätige Menschen! Wir sind nicht dafür da, damit Menschen ihre Aggressionen oder Machtphantasien nicht konsensuell ausleben!

Den Menschen, die andere Menschen vergewaltigen, geht es nicht vorrangig um den reinen Sex, respektive ihre sexuelle Befriedigung. Es geht um die Ausübung von Macht und Kontrolle. Deswegen finden auch so viele Vergewaltigungen in Partnerschaften oder durch Ex-Partner statt. Weil es um Macht geht, ist der Besuch bei Sexarbeiter*innen kein „Ersatz“. Bei uns muss man sich erst mal um ein Treffen bemühen, nach unseren Regeln spielen, und dafür bezahlen. Da ist jetzt nicht so viel Macht drin, wenn man erst anfragen und auch noch Geld hinlegen muss.

Es gibt unzählige Menschen, die ungewollt auf Sex verzichten müssen. Entweder weil es in der Beziehung nicht mehr vorkommt oder weil sie Single sind. Manche von diesen Menschen kommen dann zu uns. Es bedeutet aber nicht, dass sie durch die Gegend laufen und sich nehmen würden, was nicht schnell genug rennen kann, wenn ihnen Treffen mit Sexarbeitenden verboten würden. Sie würden einfach vor sich her leiden und hadern, wie es all die Menschen tun, die sich einen Besuch bei Sexarbeiter*innen nicht leisten können. Davon gibt es nämlich auch eine Menge, und die vergewaltigen deswegen auch nicht alle ihre Partner*innen, nur weil es keinen Sex in der Beziehung mehr gibt, oder andere Menschen, wenn sie gerade Single sind.

Es gibt auch jetzt jeden Tag Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe, obwohl es Sexarbeit gibt. Die Täter*innen hätten die grundsätzliche Möglichkeit, zu Sexarbeitenden zu gehen. Sie tun es aber nicht Auch nicht diejenigen, die das Geld haben. Weil es eben nicht nur darum geht, einfach „Druck“ abzulassen, oder Sex zu haben. Selbstbefriedigung ist ja auch noch eine Option.

Die Beratungsstelle Frauenberatung sexuelle Gewalt in Zürich schreibt zum Beispiel: „Die meisten Sexualdelikte werden nicht von Unbekannten verübt, sondern von Partnern, Ex-Partnern, Bekannten und Kollegen. Rund 80 Prozent der Frauen, die sich im Jahr 2020 bei der Frauenberatung sexuelle Gewalt gemeldet haben, kannten die Täter schon vor der Tat. Rund 30 Prozent der bekannten Täter waren Ehepartner oder Partner des Opfers.“ (https://www.frauenberatung.ch/fachstelle/zahlen-fakten/index.html)

(Anmerkung: Vergessen wir bitte nicht, dass nicht nur Frauen vergewaltigt werden.)

Ich bin ziemlich sicher, dass die Zahl der Vergewaltigungen an nicht-Sexworker*innen nicht massiv nach oben gehen würde, wenn sexuelle Dienstleistungen nicht mehr legal zur Verfügung stünden. Wo es möglicherweise einen Anstieg geben könnte, wäre bei uns Sexarbeitenden selbst: Ein sogenanntes Sexkaufverbot kriminalisiert die Kundschaft – und genau deswegen blieben nur noch die Personen übrig, die es mit Gesetzen ohnehin nicht so genau nehmen. Und da wir unter unsicheren Bedingungen mit Kundschaft arbeiten müssten, die wir zur Zeit noch ablehnen, ist es durchaus möglich, dass evtl. mehr Gefahr droht, vergewaltigt zu werden als zur Zeit. Dazu kommt, dass sich Sexarbeitende in Ländern mit einem Sexkaufverbot wie dem „Nordischen Modell“, seeehr gut überlegen, ob sie etwas zur Anzeige bringen. Sie würden sich damit outen und riskieren, von der Polizei nicht ernst genommen zu werden.

Aber wenn Menschen das Argument anbringen, dass ein Verbot zu einem massiven Anstieg an Vergewaltigungen führen würde, dann sind wir dabei auch gar nicht gemeint. Man macht sich keine Gedanken um uns und unsere Sicherheit, nech? Man befürchtet, dass „die guten, die anständigen Frauen“ stärker bedroht werden könnten, also lass mal lieber die Sexarbeitenden die Blitzableiter spielen …

Also bitte, nutzt dieses „Argument“ nicht, wenn ihr gegen ein Sexkaufverbot argumentiert.

Es ist keines.

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